Bei Ausgrabungen im November 2000 an der St. Marien Kirche in Wriezen (Landkreis Märkisch-Oderland) konnte eine beträchtliche Anzahl an Einzelknochen geborgen werden, die aufgrund ihrer Zusammensetzung (überwiegend Schädel und Langknochen) als Überreste eines mittelalterlichen Gebeinhauses gedeutet wurden. Im Rahmen eines Fortgeschrittenpraktikums im Sommersemester 2001 an der AG Anthropologie und Humanbiologie der Freien Universität Berlin wurden die Knochen dann anthropologisch untersucht. Die Aussagefähigkeit von diesen Einzelknochen ist gegenüber jener von vollständigen Skeletten zwar reduziert, doch ist dieses Material interessant und wertvoll genug, seinen bevölkerungsgeschichtlichen Quellenwert auszuschöpfen.

Es standen 17 große Plastiksäcke unsortierter Streuknochen zur Verfügung. Eine grundlegende Aufgabe bestand darin, die Mindestanzahl der vorliegenden Individuen zu bestimmen. Nach umfangreichen Sortierarbeiten wurden 36 Schädel, die nahezu vollständig vorlagen, auf Alter und Geschlecht untersucht und vermessen. Die Längenmaße der vollständigen Langknochen bildeten die Grundlage für die Körperhöhenschätzung. Alle vorhandenen Knochen sind makroskopisch auf pathologische Veränderungen durchgesehen worden.

Die durchgeführten Untersuchungen erbrachten, dass die linke Tibia das häufigste Skelettelement darstellte. Dies führte zu einer Schätzung von mindestens 92 Individuen, wobei 84 ins Erwachsenenalter und acht ins Kindesalter einzustufen waren. Aus der Altersverteilung ergab sich ein Sterbegipfel im maturen Alter. Die Geschlechtsbestimmung anhand der Schädel erbrachte einen Männerüberschuss. Die Gesamtkörperhöhe wurde mit 161,5 cm geschätzt, die im Vergleich mit anderen Skelettserien als eher klein einzuschätzen ist. Die Kariesintensität ist als sehr niedrig zu bewerten, woraus auf einen geringen Konsum von kariogenen Nahrungsmitteln geschlossen werden konnte. Cribra orbitalia ließ sich zu 41% nachweisen, was im mittleren Bereich zwischen vergleichbaren mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bevölkerungen liegt.

Studenten beim Sortieren der Knochen, hier Stirnbeine und Unterkiefer.

Verheilte Verletzung am Schädel eines alten Individuums, vermutlich durch einen Hieb mit einem Morgenstern verursacht.

Jungklaus B & Wittkopp B (2002): „Memento Mori“ am Eingang. Ein Knochenlager an der Marienkirche in Wriezen, Landkreis Märkisch-Oderland. Archäologie in Berlin und Brandenburg 2001, 145-146.