Seit nunmehr zweieinhalb Jahrzehnten finden Ausgrabungen am Tell Schech Hamad in Ost-Syrien statt, die die Assyrer-Stadt Dur-Katlimmu zum Gegenstand der Forschungen haben. Ab der Grabungskampagne im Jahr 1984 traten im Bereich der „Mittleren Unterstadt II“ überraschend Gräber zutage, die aus einer späteren Epoche stammen und anfänglich als „lästige“ Begleiterscheinung angesehen wurden. Doch als immer bedeutungsvoller erachtet, konnten in den darauf folgenden Jahren knapp 600 Gräber aus römisch-parthischer Zeit (200 v. Chr. bis 250 n. Chr.) geborgen werden, die kontinuierlich auch anthropologisch untersucht wurden.
Die riesige, dabei gewonnene Datenmenge ist von unschätzbarem Wert für die anthropologische Forschung, da bisher keine regional vergleichbare Nekropole von diesem Umfang vorliegt. Dadurch wird es möglich den historischen Menschen anhand von Skelettfunden unmittelbar als Quelle zu erschließen. Mit dem vorliegenden Material ist es erstmals möglich die Lebensbedingungen der Menschen im östlichen Syrien zur Zeit der parthisch-römischen Besiedlung zu rekonstruieren und überregionale Schlussfolgerungen zu ziehen.
Aufgrund der geringen Kindersterblichkeit und der hohen Lebenserwartung scheinen die Lebensbedingungen der römisch-parthischen Bevölkerung des Tell Schech Hamad günstig gewesen zu sein. Es scheint eine soziale Differenzierung vorzuliegen, die ihren Ausdruck in der verwendeten Grabform findet (Erdgrab, Lehmziegelgrab, Topf und Sarkophag). Die Kindersterblichkeit ist bei den in Erdgräbern bestatteten Individuen deutlich höher. Es fanden sich Hinweise darauf, dass die Individuen aus Erdgräbern häufiger Mangelerkrankungen und degenerative Krankheiten aufweisen und anscheinend einen geringeren sozialen Stand als Individuen aus den Lehmziegelgräbern besaßen. Auch scheint es zu einer Verarmung der ganzen Bevölkerung gegen Ende der Nutzungsphase des Friedhofs gekommen zu sein.
Grabungsarbeiten auf der römisch-parthischen Nekropole vom Tell Schech Hamad.
Ausgedehnte poröse Veränderungen an der Lamina interna des Schädels bei einem 6 bis 12 Monate alten Kind.
Bettina Jungklaus (2010): Exkurs: Paläopathologie. In: Hornig H (Autorin): Der parthisch/römische Friedhof vom Tell Schech Hamad / Magdala, Teil II Die anthropologische Evidenz. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden, 104-114.