Im Frühjahr 2005 wurden bei archäologischen Untersuchungen in der Altstadt von Strausberg auf dem Gelände Schulstraße 1 menschliche Gräber entdeckt und geborgen. Diese sind dem ältesten Begräbnisort der Stadt, dem Nikolai-Kirchhof zuzuordnen. Über die Nikolaikirche ist wenig bekannt. Vermutlich ist sie Mitte des 16. Jahrhunderts verfallen. Bestattungen fanden nur noch vereinzelt während des Dreißigjährigen Krieges statt. 1787 wurden dann die letzten Reste der Kirche abgetragen. Die 62 geborgenen Skelette stammen aus der ersten Hälfte des 13. bis etwa Mitte des 16. Jahrhunderts und konnten im Anschluss an die Grabungsarbeiten mit den gängigen Methoden anthropologisch untersucht werden. Die vorliegende Altersstruktur ist durch zwei Sterbegipfel gekennzeichnet: 24,2% im Kleinkindalter bis zum 7. Lebensjahr und 22,6% im Alter zwischen 20 und 39 Jahren. Die erwartungsgemäß höchste Mortalität um das 50. Lebensjahr fällt hier mit 17,7% eher niedrig aus. Die mittlere Lebenserwartung war mit nur 27 Jahren eher niedrig. Vergleiche mit anderen mittelalterlichen Städten der Mark Brandenburg zeigten, dass die Bewohner Strausbergs im Schnitt früher verstarben, was auf eher ungünstige Lebensbedingungen hindeutet. Die hohe Kindersterblichkeit von fast 39% gibt Hinweise auf eine allgemein schlechtere Lebenssituation.

Der untersuchte Bevölkerungsausschnitt wies einen hohen Männerüberschuss auf. In mittelalterlichen Städten scheint eine Überzahl an Männern die Regel gewesen zu sein. Mittelalterliche Städte waren auf eine ständige Zuwanderung aus dem ländlichen Raum angewiesen, da die Sterblichkeit hier höher war als auf dem Lande. Vor allem einfache Knechte und Landarbeiter erhofften sich in den Städten ein besseres Auskommen und soziale Aufstiegschancen.

41% aller Kinder zeigen Spuren von hämorraghisch/entzündlichen Hirnhautreaktionen in Form poröser, plattenartiger Auflagerungen und vermehrter Gefäßimpressionen an der Innenseite der Schädelknochen. Ein besonders schwerer Fall einer krankhaften Gelenkveränderung fand sich an den Hüftgelenken eines alten Mannes. Hier hat eine mit Zysten einhergehende Entzündung die Gelenke zerstört. Die Gelenkenden beider Oberschenkel sind stark deformiert. Der rechte Gelenkkopf weist eine spitz zulaufende Verformung mit starken Randwulstbildungen und einer kompletten Zerstörung der Gelenkfläche auf.

Ausgedehnte zungenfömigen Platten an der Lamina interna des Os occipitale, wohl als Folge eines hämorrhagischen Geschehens bei einem 3 bis 4-jährigen Mädchen

Zystische Arthritis an beiden Caput femori

Jungklaus B (2007): Der mittelalterliche Nikolai-Kirchhof in Strausberg. Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung an den aufgefundenen Skeletten. Märkisch-Oderland Jahrbuch 2007, 14. Jahrgang, 14-16.