Südlich der Altstadt von Strausberg wurden bei Straßenbauarbeiten im Oktober 2004 im Bereich zwischen August-Bebel-Straße und der Walkmühlenstraße Bestattungen entdeckt. Diese konnten dem Georgenkirchhof zugeordnet werden, der im Stadtplan von 1834 verzeichnet ist. Der Friedhof mit dazugehöriger Kapelle stellen die Reste des erstmals 1367 urkundlich erwähnten St. Georgs-Hospital dar, das ursprünglich als Leprosenhaus diente. Im Jahr 1633 wurde das Hospital im Zuge des Dreißigjährigen Krieges zerstört. Erhalten blieb lediglich die Kapelle. Sie stand etwa 100 Jahre wüst und wurde ab 1730 wieder für Gottesdienste hergerichtet. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Umwandlung des Geländes in eine Parkanlage und die Kapelle wurde dann als Café genutzt. Anfang der 1970iger Jahre war sie bei einer Umgestaltung des Straßenzuges im Wege und wurde kurzerhand abgerissen. Ein kleiner Ausschnitt dieses Friedhofs war im Vorfeld von Erdeingriffen Gegenstand archäologischer Untersuchungen. Auf einer Fläche von 34 m2 konnten 55 Körpergräber dokumentiert und geborgen werden. Die Gräber lagen meist durchgängig in 2 Lagen übereinander. Aufgrund der Keramikfunde und der Bestattungssitten sind die Bestattungen in die frühe Neuzeit mit Schwerpunkt im 16. und 17. Jahrhundert zu datieren. .

Im Zuge der Aufarbeitung wurden an den Skelette eine anthropologische Untersuchung durchgeführt. Von Interesse waren dabei das Sterbealter, das Geschlecht und die Krankheiten der Bestatteten. Die meisten Menschen waren im vorgeschrittenen Erwachsenenalter zwischen 40 und 59 Jahren verstorben. Der Anteil der über 60jährigen ist ebenfalls recht hoch. Das Verhältnis der erwachsenen zu den nichterwachsenen Individuen betrug 78% zu 22% und entspricht damit eher den Vorstellungen von einer Hospital-Bevölkerung, in der ältere Personen häufiger anzutreffen sind. Weiterhin konnten doppelt so viele Männer wie Frauen festgestellt werden. Diese paläodemographischen Parameter decken sich gut mit den Daten von anderen Hospitalfriedhöfen. .

Bei 86% der Individuen sind krankhafte Veränderungen an den Knochen zu erkennen. Dieser Prozentsatz ist vergleichsweise hoch. Zahlreich fanden sich Mangelerkrankungen, degenerative und entzündliche Veränderungen an den Wirbeln und Krankheiten an den Zähnen wie Karies mit entzündlichen apikalen Prozessen. Einige Individuen litten an besonders schweren Erkrankungen, so beispielsweise an der venerischen Syphilis. Es konnte ein Lepra-Verdachtsfall festgestellt werden. Ein 55 bis 65jähriger Mann zeigt massive Knochenwucherungen, die als Folge einer schweren Verletzung durch Folter auf einer Streckbank zu deuten sind.

Linkes Os coxae mit ca. 7 cm langen Knochensporn (Spuren einer Myositis ossificans) als Folgen massiver Gewalteinwirkung, möglicherweise durch Folter auf einer Streckbank

Abbau der mesialen Alveolarpartie am Oberkiefer, Verdacht auf Lepra

Jungklaus B (2006): Ausschnitthaft untersucht – Der Friedhof des Georgenhospitals in Strausberg, Lkr. Märkisch-Oderland. Archäologie in Berlin und Brandenburg 2005, 149-151.

Jungklaus B (2008): Von Frakturen bis Folterspuren – anthropologische Untersuchungsergebnisse zum neuzeitlichen Hospitalfriedhof St. Georgen in Strausberg. Lkr. Landkreis Märkisch-Oderland (Brandenburg). In: Piek J & Terberger T (Hrsg.): Traumatologische und pathologische Veränderungen an prähistorischen und historischen Skelettresten – Diagnose, Ursachen und Kontext. Archäologie und Geschichte im Ostseeraum 3, 125-135.