An der Kirche des Ortes Schmerzke (Stadt Brandenburg) konnten im Herbst 2001 anlässlich der Anlage von Regenwassersickergruben zwei kleine Flächen des Friedhofs archäologisch untersucht werden. Dabei traten auf der Nordseite neun Gräber zutage und auf der Südseite 15, die neben den zahlreichen Sammelknochen geborgen werden konnten. Das Knochenmaterial war in einem guten bis mäßigen Erhaltungszustand. Aufgrund fehlender Datierungsmöglichkeiten lassen sich die Bestattungen zeitlich nicht genau einordnen. Sie dürften aus dem 13. bis 19. Jahrhundert stammen.
Bei der anschließenden anthropologischen Bearbeitung wurden die Individuen auf Alter, Geschlecht, Körperhöhe und Krankheiten untersucht. Aus den Sammelknochen sollte die Mindestindividuenzahl rekonstruiert werden. Neben den 24 Bestattungen konnten 26 Individuen aus den Sammelknochen festgestellt werden, die in die Auswertung mit eingingen. Eine Prüfung der Repräsentanz ergab, dass diese Skelettserie als repräsentativ zu bewerten ist. Es konnte eine Lebenserwartung von 27 Jahren zum Zeitpunkt der Geburt ermittelt werden, was im Vergleich mit anderen Bevölkerungen recht gering ist und somit einen ersten Hinweis auf schwierige Lebensumstände gibt.
Der Sterbegipfel findet sich mit 22% im maturen Alter, gefolgt von den adulten Individuen mit 21% und denen der Altersklasse infans I mit 20%. Die Kindersterblichkeit von 36% liegt im Bereich vergleichbarer Skelettserien. Das Geschlechterverhältnis stellt sich als nahezu ausgewogen dar, mit einer leichten Verschiebung zu den Männern hin. Die Mortalität der Frauen ist im adulten Alter erhöht. Die Männer verstarben häufiger im maturen und auch senilen Alter. Die durchschnittliche Körperhöhe ist mit 165 cm in Vergleich zu anderen Populationen verhältnismäßig niedrig und deutet auf eine schlechte Versorgung mit tierischen Proteinen hin.
Die paläopathologischen Untersuchungen an den Zähnen machten den desolaten Zustand der Gebisse deutlich: Karies konnte bei über 90% der Individuen nachgewiesen werden, knapp 15% aller Zähne waren kariös. Im Vergleich mit anderen Gebissserien sind diese Werte recht hoch und lassen auf eine kohlehydratreiche, überwiegend pflanzliche Ernährung schließen. Dass es dabei auch zu Mangelernährung gekommen ist, zeigen die gefunden Mangelerkrankungen; Proteinmangel und auch Unterernährung können besonders für die Kinder nachgewiesen werden. Von einer hohen Arbeitsbelastung kann aufgrund der degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und den großen Gelenken ausgegangen werden, die allerdings nicht untypisch für ländliche, bäuerliche Bevölkerungen ist. Insgesamt können für die Menschen aus Schmerzke schlechte Lebensbedingungen angenommen werden, die durch schwere körperliche Arbeit, eine kohlehydratreiche und proteinarme Ernährung, die zu Mangelerscheinungen und auch Unterernährung führte, charakterisiert werden.
Osteoklastische Tumorerkrankung am Schädel einer jungen Frau
Profunde Karies, ausgedehnte intravitale Zahnverluste und starke Parodontose am Gebiss einer etwa 60-jährigen Frau
Jungklaus B (2003): Karge Kost im alten Schmerzke. 12. Jahresbericht. Historischer Verein Brandenburg (Havel), 73-79.