Im Herbst 2009 wurde im Bereich des alten Friedhofs von Oldendorf (Landkreis Stade) Skelette aus 54 Gräbern geborgen. Die Erhaltungsbedingungen für die Knochen waren äußerst schlecht. Aus der langen Belegungszeit des Friedhofs haben sich nur die Bestattungen der obersten Gräberschicht aus dem 18./19. Jahrhundert und die Skelette der in den anstehenden Boden eingetieften mittelalterlichen Gräber aus dem 10./11. Jahrhundert erhalten.

Die anthropologische Untersuchung wurde mit den gängigen Methoden durchgeführt, wobei Sterbealter, Geschlecht und Körperhöhe bestimmt sowie alle makroskopisch erkennbaren Erkrankungen dokumentiert wurden.

Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte getrennt nach den zeitlichen Horizonten. Für die frühe Neuzeit ließ sich ein repräsentativer Bevölkerungsausschnitt belegen, für das Mittelalter dagegen lediglich ein zufälliger Teil der Population. Die höchsten Sterberaten fanden sich in der frühen Neuzeit einerseits im Kleinkindalter und anderseits in der adulten Altersklasse. Die Kindersterblichkeit ist mit 50 % äußerst hoch. Die Geschlechterverteilung ist aufgrund des hohen Anteils nicht bestimmbarer Individuen nur ungenau abzuschätzen. Im frühneuzeitlichen Bevölkerungsteil ließen sich mehr Frauen (43 %) als im mittelalterlichen (30 %) nachweisen. Die Körperhöhe konnte nur bei fünf erwachsenen Individuen geschätzt werden, wobei ein Individuum aus der frühen Neuzeit stammt und die übrigen aus dem Mittelalter. Im Mittel betrug die Körperhöhe im Mittelalter 165,0 cm. Die Frau aus der frühen Neuzeit war mit 149,1 cm auffallend klein.

An den Gebissen von 77 % aller erwachsenen Individuen zeigten sich Kariesdefekte, wobei deutliche Unterschiede zwischen den Epochen vorlagen. In der frühen Neuzeit war die Kariesbelastung insgesamt erheblich höher, was eine kohlehydratreichere Ernährung vermuten lässt. Schmelzhypoplasien wiesen 78 % der Gebisse in der neuzeitlichen Skelettserie auf, was den zeittypischen Verhältnissen entspricht und gut mit weiteren frühneuzeitlichen Bevölkerungen vergleichbar ist. Bei drei Kindern lag wahrscheinlich chronischer Vitamin C-Mangel vor. Auffallend war die hohe Belastung durch Erkrankungen der oberen Atemwege, die sich an den frühneuzeitlichen Skeletten nachweisen ließen. Mindestens jedes zweite Individuum war an Rhinitis und Sinusitis maxillaris erkrankt. Hier gibt es interessante Übereinstimmungen mit der historischen Überlieferung, die von einer starken Rauchentwicklung in den Wohnhäusern durch die offenen Herde berichtet, was besonders zur Belastung der Atemwege führte. Am Schädel einer maturen Frau fanden sich Anzeichen der seltenen Hand-Schüller-Christian-Krankheit.

Wände der linken Kieferhöhle mit porösen bis plattenartigen Knochenneubildungen als Folge einer chronischen Sinusitis maxillaris bei einem 4-6 Jahre alten Knaben

Poröse Veränderungen am Boden und den Wänden der Nasenhöhle als Folge einer Rhinitis bei einem 7-8 Jahre alten Kind