Im Herbst 2007 erfassten Baumaßnahmen südlich der Altstadt von Altlandsberg (Lkr. Märkisch-Oderland) neben archäologischen Strukturen auch einen bislang unbekannten Friedhof. Im Bereich des Bauvorhabens wurden insgesamt 79 Gräber festgestellt. Aufgrund von Scherbenfunden, Tracht und Ausstattung sowie der verwendeten Holzsärge sind die Bestattungen sicher ins 17./18. Jahrhundert zu datieren. Dieser Friedhof wurde vor 1625 angelegt und ist mit der Anlage des neuen Friedhofes im Jahr 1817 wieder aufgegeben worden. Die überlieferte Bezeichnung „Armenfriedhof“ lässt erkennen, dass bei gleichzeitig beibehaltener Belegung des an der Pfarrkirche liegenden Friedhofs im 17. Jahrhundert innerhalb der Stadtbevölkerung ein gewisses soziales Gefälle bestanden haben muss. Seuchen und Krieg als Auslöser für Armut waren in Altlandsberg in dieser Zeit ein wichtiges Thema. Insbesondere im Zuge und als Folge des Dreißigjährigen Krieges waren weite Teile der Bevölkerung verarmt.

Insgesamt standen 61 Skelette für die anthropologische Untersuchung zur Verfügung. An den Skeletten wurde das Sterbealter und das Geschlecht bestimmt und ein besonderes Augenmerk auf die krankhaften Veränderungen an den Knochen gelegt. Die Altersverteilung der untersuchten Skelettserie zeigt einen geringen Kinderanteil von 18 % und einen hohen Anteil an Personen, die über 50 Jahre alt wurden. Das entspricht nicht ganz den Vorstellungen von einer vorindustriellen Bevölkerung, in der Kinder meist den höchsten Anteil verstorbener Individuen ausmachen. Als Anzeichen eines fortgeschrittenen Lebensalters fanden sich bei einigen Individuen zahnlose Gebisse, die so genannten Greisenkiefer. Es handelt es sich bei der vorliegenden Skelettserie nicht um einen repräsentativen Ausschnitt der frühneuzeitlichen Bevölkerung von Altlandsberg.

Von Armut waren besonders Witwen, Kranke und Verkrüppelte bedroht. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich fast doppelt so viele Frauen wie Männer in der vorliegenden Skelettserie befanden. Besonders verwitwete Frauen hatten in den frühneuzeitlichen Städten ein hartes Schicksal. Wenn sie keine Kinder oder Verwandten hatten, waren sie auf die Fürsorge der Gemeinden angewiesen.

Spuren von Mangelerkrankungen kamen insgesamt nicht sehr häufig vor. Beispielsweise fanden sich Schmelzhypoplasien an den Zähnen bei nur 42 % der Gebisse, was ein vergleichsweise geringer Anteil ist. Die Kariesbelastung war mit 83 % an betroffenen Gebissen sehr hoch. Bevölkerungen mit einer überwiegend auf pflanzlichen Nahrungsmitteln basierenden Ernährung zeigen eine stärkere Kariesbelastung als solche mit vorwiegend tierischer Kost. Im Ganzen ergibt sich für die Altlandsberger Skelettserie vom Armenfriedhof das Bild einer eher kohlehydratreichen und proteinarmen Ernährung, was sich gut mit den historischen Überlieferungen deckt. Denn von der armen Bevölkerung ist bekannt, dass die Ernährung monoton und nicht sonderlich gesund war. Entzündliche und degenerative Erkrankungen bei etwa dreiviertel der Wirbel und Hüftgelenke sprechen für eine starke körperliche Belastung.

Greisenkiefer bei einer etwa 60-jährigen Frau

Starke Parodontose und Zahnstein am rechten Oberkiefer

Jungklaus B & Wittkopp B (2010): Totenkronen auch bei Armen. Unbekannter Friedhof in Altlandsberg, Lkr. Märkisch-Oderland. Archäologie in Berlin und Brandenburg 2008, 133-136.