Im Zuge der vollständigen Dokumentation der Ortslage Horno im Niederlausitzer Braunkohlerevier wurde auch der Friedhof des Dorfes komplett untersucht. Zwischen Dezember 2003 und November 2004 wurde die 2300 m2 große Friedhofsfläche ausgegraben, wobei 2200 Grabbefunde nachgewiesen werden konnten. Die Gräber stammen aus dem 13./14. Jahrhundert und reichen bis in heutige Zeiten. Die jüngsten Gräber wurden umgebettet und konnten noch als beräumte Grabgruben erfasst werden. Die in den Grabgruben gefundene Keramik stammt überwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert, sodass vermutet werden kann, dass eine beträchtliche Anzahl der Bestattungen aus dieser Zeit, zumindest aber aus der frühen Neuzeit stammt. Die zeitliche Einordnung ist für die Interpretation der umfangreichen anthropologischen Ergebnisse äußerst wichtig. Nur so lassen sich Entwicklungen der Bevölkerungsstruktur, aber auch der Lebensbedingungen erfassen.
Die anthropologische Untersuchung umfasste bisher 600 Grabbefunde. 79 dieser Gräber waren umgebettet worden. 152 Individuen sind komplett zersetzt und oft nur noch als Leichenschatten zu erkennen gewesen. Im Ganzen liegen bisher die Ergebnisse von 368 Individuen vor. Das Knochenmaterial weist in den meisten Fällen einen erheblichen Dekompositionsgrad auf. Der Erhaltungszustand ist als überwiegend schlecht bis sehr schlecht einzustufen. Nur in wenigen Fällen sind die Knochen besser erhalten.
Im Rahmen des DFG-Projekts „Ländliche Siedlung und kulturelle Transformation. Hoch- und spätmittelalterliche Landschaftsgestaltung im Spiegel von Großgrabungen in Brandenburg“ sollten alle mittelalterlichen Bestattungen anthropologisch untersucht werden. Nach einer Datierung der einzelnen Gräber, zeigte sich, dass knapp 600 dieser Zeit zuzuordnen sind. Die Knochenerhaltung der mittelalterlichen Skelette ist durchgängig ziemlich schlecht. So weist der überwiegende Teil der Bestattungen keine erhaltenen Knochen mehr auf. Vermutlich resultiert der schlechte Erhaltungszustand einerseits aus den sauren Sandböden auf der Hornoer Hochfläche und andererseits aus der langen Belegungszeit des Friedhofs. Nach der Bergung und Reinigung standen oft nur noch wenige Skelettreste für die naturwissenschaftlichen Analysen zur Verfügung. Deshalb konnten lediglich bei 146 Bestatteten die Individualdaten wie Sterbealter, Geschlecht und Körperhöhe erhoben werden.
Der Sterbegipfel findet sich im fortgeschrittenen Erwachsenenalter im maturen Alter. Ebenfalls hoch ist die Sterblichkeit im den ersten Lebensjahren zwischen Geburt und 6 Jahren. Besonders hoch sind die Anteile der als „erwachsen“ bestimmbaren und der gänzlich unbestimmbaren Individuen. Bei diesen Skeletten waren die Knochen überwiegend von sehr schlechtem Erhaltungszustand, was die Ermittlung der Individualdaten erheblich erschwert hat.
Die Geschlechterverhältnisse bei den Erwachsenen sind leicht in Richtung eines Männerüberschusses verschoben. Der Anteil der Individuen, bei denen das Geschlecht nicht bestimmt werden konnte ist sehr hoch, sodass die tatsächliche Geschlechterverteilung bisher nicht genau einzuschätzen ist In die Krankheitsbelastung sind erhaltungsbedingt nur punktuelle Einblicke möglich.
Verheilte Hiebverletzung, die sich vom Frontale bis zum vorderen Drittel des linken Parietale zieht (45 bis 45-jähriger Mann)
„Bäckerkaries“ – ausgedehnter Kariesbefall an den Zahnhälsen bei einem 52 bis 66 Jahre alten Mann
Jungklaus B (2009): Die mittelalterliche Population von Horno (Niederlausitz, Brandenburg). Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie 14(1-2), (2008), 33.
Jungklaus B (2011): Wie lebten sie? Wie starben sie? Anthropologische Untersuchungen an Niederlausitzer Skeletten geben Antworten. Archäologie in Berlin und Brandenburg 2009, 114-117.
Henker J & Jungklaus B (2013): Dorfentstehung und Dorfbevölkerungen – Fallbeispiele aus der Niederlausitz. Heimann H-D, Neitmann K & Tresp U (Hsg.): Die Nieder- und Oberlausitz: Konturen einer mittelalterlichen Integrationslandschaft, Bd. 1 Mittelalter. Lukas Verlag, Berlin, 293-313.